Silver Trauma – Schweres Trauma im höheren Lebensalter

Warum ist das wichtig?

Silver Trauma ist der Begriff für ein schweres Trauma bei Patienten ≥ 65 Jahren.

Silver Trauma-Patienten weisen eine ähnliche Verletzungsschwere und Verteilung der Verletzungen auf wie junge Schwerverletzte, ALLERDINGS sind bei Silver-Trauma-Patienten wichtige Punkte zu beachten:

  1. Silver Trauma-Patienten werden nicht korrekt triagiert, erhalten zu wenig Therapie, warten länger auf Untersuchungen und Diagnosestellungen. Zudem haben sie ein deutlich höheres Risiko zu versterben;
  2. Ein Sturz aus weniger als 2 Meter Höhe ist der typischste Verletzungsmechanismus, der bei älteren Patienten zu erheblichen Verletzungen führt (Niedrig-Energie-Traumata), während bei jüngeren Patienten Kollisionen im Straßenverkehr überwiegen (Hoch-Energie-Traumata);1
  3. Eine Störung der Vitalparameter kann aufgrund einer Kombination aus einer veränderten Physiologie, Komorbiditäten und Polypharmazie abgeschwächt sein oder ganz ausbleiben.

Wie unterscheidet sich das Silver Trauma vom typischen Major Trauma?

Die derzeitige Trauma-Einteilung ist darauf ausgerichtet, Hoch-Energie-Traumata zu erkennen, bei denen das Potenzial für schwere Verletzungen in der Regel bereits am Unfallort offensichtlich ist. Die Schwierigkeit bei der frühzeitigen Erkennung von schweren Verletzungen bei älteren Patienten kann durch folgende Faktoren verursacht werden:

  • Verletzungsmechanismen mit geringer Energieübertragung (Niedrig-Energie-Trauma);
  • Komorbiditäten, die das Erscheinungsbild weniger offensichtlich machen;
  • Anzeichen erheblicher Verletzungen, die sich erst später manifestieren.

Traumatische Hirnverletzungen sind hierbei die häufigste Todesursache bei älteren Patienten.1 Bei einem ähnlichen Schweregrad des Schädel-Hirn-Traumas haben diese im Vergleich zu jüngeren Patienten einen besseren Glasgow Coma Score.2

Ältere Patienten haben nach Rippenfrakturen nachweislich eine schlechtere Prognose. Dies kann mit folgenden Faktoren zusammenhängen:

  • Mehrere Komorbiditäten;
  • Geringere physiologische Reserven;
  • Größere Schwierigkeiten bei der Beurteilung und Steuerung der Hämodynamik.3

Das Silver Trauma unterscheidet sich von den typischen schweren Traumata jüngerer Altersgruppen und erfordert eine andere medizinische Behandlung.

Was können wir tun?

  1. Ältere Patienten mit einem Niedrig-Energie-Trauma auf signifikante Verletzungen untersuchen.
  2. Verbesserung der prähospitalen und krankenhausinternen Triage-Systeme zur Erkennung schwerer Traumata bei älteren Patienten durch die Einführung von Risikostratifizierungsinstrumenten (z.B. Silver Trauma Safety Net und Senior Patient Trauma Screening Tool)4 für Trauma-Einheiten, große Traumazentren und lokale Notfallkrankenhäuser.
  3. Auf Anzeichen einer okkulten Blutung achten:
    • Herzfrequenz > 90 bpm;
    • Systolischer Blutdruck unter 110 mmHg;5
    • Erhöhtes Laktat > 2,5 mmol/L.6
  4. Bei jedem Patienten ≥65 Jahren mit Bewusstseinsverlust oder Amnesie nach einer Kopfverletzung sollte sobald wie möglich eine CT-Kopfuntersuchung durchgeführt werden. Darüber hinaus ist eine CT-Untersuchung bei allen Patienten mit Kopfverletzungen durchzuführen, welche Vit.K-Antagonisten, andere Antikoagulanzien (DOAK) oder Clopidogrel (Thrombozytenaggregationshemmer) einnehmen bzw. an Blutungsstörungen wie z.B. einer Hämophilie leiden.7
  5. Bei jedem Erwachsenen ≥65 Jahre und klinischem Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule sollte sobald wie möglich eine CT der Halswirbelsäule durchgeführt werden.7 Das zwangsweise Anlegen eines Kragens ist unnötig, da es zu Schäden führen kann.4
  6. Bei der Therapie von Rippenfrakturen sollte eine entsprechende Analgesie mit Atemtherapie im Fokus stehen, um Komplikationen wie eine Atelektase oder Pneumonie zu verhindern. Eine IMC-Überwachung sollte für die ersten 12 Stunden in Erwägung gezogen werden.
  7. Es sollte ein Screening auf Frailty erhoben werden. Entsprechend sollte ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, um die multidimensionalen Bedürfnisse der einzelnen Patienten zu evaluieren und patientenzentrierte Behandlungsziele zu verfolgen. Siehe auch “Alter-/Frailty adaptierte Risikostratifizierung”, “Geriatrisches Assessment in der Notaufnahme” und Silver surveys (Chapter 5 Hector Manual).8

Toolbox

Alle Toolboxen, Referenzen und zusätzlichen Informationen sind über den abgebildeten QR-Code verfügbar.

Information

Das Schulungsmaterial wurde von der Europäischen Task Force für Geriatrische Notfallmedizin entwickelt. Diese ist eine Kooperation zwischen der Europäischen Gesellschaft für Notfallmedizin (EUSEM) und der Europäischen Gesellschaft für Geriatrische Medizin (EuGMS). Weitere Informationen finden Sie unter: geriEMEurope.eu oder folgen Sie uns auf @geriEMEurope.

Übersetzung auf Deutsch: Prof. Dr. K. Singler, MME

Referenzen

  1. Major Trauma In Older People - 2017 Report
  2. Salottolo K, Levy AS, Slone DS, Mains CW, Bar-Or D. The Effect of Age on Glasgow Coma Scale Score in Patients With Traumatic Brain Injury. JAMA Surg. 2014;149(7):727–734. doi:10.1001/jamasurg.2014.13
  3. Head injury: assessment and early management,Clinical guideline CG176, 22 January 2014
  4. Silver Trauma Safety Net
  5. Brown JB , Gestring ML, Forsythe RM, Stassen NA, Billiar TR, Peitzman AB, Sperry JL. Systolic Blood Pressure criteria in the National trauma Triage Protocol for geriatric trauma: 110 is the new 90. Trauma Acute Care Surg. 2015 February ; 78(2): 352–359.
  6. Salottolo KM, Mains CW, Offner PJ. A retrospective analysis of geriatric trauma patients: venous lactate is a better predictor of mortality than traditional vital signs. Scand J Trauma, Resus & Emerg Med 2013; 21(7)
  7. NICE Clinical Knowledge Summaries (CKS)
  8. The Heartlands’ Elderly Care Trauma & Ongoing Recovery Programme

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