Geriatrisches Assessment in der Notaufnahme

Warum ist dies wichtig?

Für diejenigen, die in Notaufnahmen arbeiten, ermöglicht die Problemidentifizierung mit Hilfe eines umfassenden geriatrischen Assessments (CGA) eine genauere Diagnosestellung (insbesondere die Identifizierung von Schlüsselsyndromen wie z.B. einem Delir). Dies wiederum kann die Inanspruchnahme einer stationären Krankenhausbehandlung verringern und den Abfluss aus der Notaufnahme verbessern. Ein CGA ermöglicht eine stärker auf die individuellen Patientenbedürfnisse ausgerichtete und häufig effizientere Behandlung. Es kann den Einsatz von Untersuchungen im Rahmen einer protokollgesteuerten Versorgung reduzieren (z.B. automatische CT-Untersuchungen des Schädels). Zudem kann ein CGA eine größere Sicherheit beim Entlassmanagement geben, insbesondere, wenn belastbare Ressourcen für die weitere ambulante Versorgung vorhanden sind4- 6.

CGA verbessert das Outcome älterer Personen in akutgeriatrischen Abteilungen2.

CGA in der notfallmedizinischen Versorgung wird definiert als ‘ein multidimensionaler, interdisziplinärer Prozess zur Identifizierung dringlicher und lebenswichtiger medizinischer, psychologischer, sozialer und funktioneller Bedürfnisse älterer Patienten, um damit einen ganzheitlichen, koordinierten Akutbehandlungsplan zu erstellen, der diese Bedürfnisse erfüllt1

Wie biete ich ein CGA in der Notfallversorgung an?

Unter Einbeziehung standardisierter diagnostischer Verfahren liegt der Schwerpunkt eines geriatrischen Assessments in der Problemlösung im Rahmen eines patientenzentrierten Behandlungsansatzes. Ziel ist hierbei die Behandlung der Akutsituation wie auch die Wiederherstellung der größtmöglichen Unabhängigkeit. Das ganzheitliche Assessment ermöglicht die Identifizierung einer Problemliste und Priorisierung dieser in einem gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess zwischen Behandler, Patienten und Angehörigen/ nahestehenden Personen.

Typischerweise benötigt das geriatrische Assessment ein Team, das eine multidimensionale Evaluierung durchführt. Diese sollte folgende Punkte beinhalten:

  • Diagnosen: Oft liegen verschiedene sich gegenseitig beeinflussende Begleiterkrankungen und eine damit einhergehende Polypharmazie vor;
  • Psychologische Funktionen: Insbesondere Verwirrtheit und Stimmungslage;
  • Funktionalität: Aktivitäten des täglichen Lebens;
  • Umfeld: in der die Person agiert;
  • Soziales Unterstützungsnetzwerk: aktuell vorhanden oder erforderlich, um die Funktionalität aufrechtzuerhalten.

Das Team sollte mit flachen Hierarchien arbeiten. Dies erleichtert das gegenseitige Vertrauen und fördert die konstruktive Auseinandersetzung. Typischerweise bezieht ein CGA ein Team aus verschiedenen Disziplinen (einschließlich Medizin, Physiotherapie, Ergotherapie, Pflege, Sozialarbeit und klinische Pharmakologie) ein, das auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet und dabei standardisierte Assessmentinstrumente, Behandlungspfade und Dokumentation verwendet.

Die Ermöglichung einer Pflegeüberleitung, um die Fortführung des konsentierten Behandlungsplans auch in der an die Notaufnahme anschließenden Versorgung (stationär oder ambulant) zu gewährleisten, ist zum Erreichen eines optimalen Behandlungsergebnisses von entscheidender Bedeutung.

Was können wir tun?

Bei der Behandlung älterer Patienten mit Frailty müssen sich Notaufnahmen weg von dem Ansatz der Lösung einzelner Problemstellungen hin zu einer mehr ganzheitlichen Herangehensweise entwickeln (siehe auch das Poster “Alter-/Frailty adaptierte Risikostratifizierung”). Die Durchführung eines vollständigen CGA kann in der Notaufnahme of nicht umgesetzt werden. Es ist daher wichtig dessen Schlüsseldomänen, wie z.B. die '5 geriatrischen Ms’3 im Rahmen eines Basis-Assessments in die Praxis umzusetzen.

  • Mind: Berücksichtigung von Demenz, Delir und Depression
  • Mobility: Erhalt von Mobilität und Verhinderung von Stürzen
  • Medication: Reduktion inadäquater Polypharmazie
  • Multi-Complexity: Berücksichtigung der vielfältigen Bedürfnisse älterer Menschen (medizinisch, psychologisch, sozial, funktional und das Umfeld betreffend)
  • Matters most: Sicherstellung, dass die individuellen und persönlich relevanten Behandlungsziele und Versorgungspräferenzen in die Therapieplanung einbezogen werden.

Legen Sie danach in einer gemeinsamen Entscheidungsfindung fest, welche Prioritäten der Patient hat. Arbeiten Sie mit Ihrem interdisziplinären Team zusammen, um herauszufinden, wie und wo diese am besten erfüllt werden können (im Krankenhaus, zu Hause oder in einer anderen Versorgungseinrichtung).

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Information

Das Schulungsmaterial wurde von der Europäischen Task Force für Geriatrische Notfallmedizin entwickelt. Diese ist eine Kooperation zwischen der Europäischen Gesellschaft für Notfallmedizin (EUSEM) und der Europäischen Gesellschaft für Geriatrische Medizin (EuGMS). Weitere Informationen finden Sie unter: geriEMEurope.eu oder folgen Sie uns auf @geriEMEurope.

Übersetzung auf Deutsch: Prof. Dr. K. Singler, MME

Referenzen

  1. Conroy SP, Bardsley M, Smith P, Neuburger J, Keeble E, Arora S, Kraindler J, Ariti C, Sherlaw-Johnson C, Street A, Roberts H, Kennedy S, Martin G, Phelps K, Regen E, Kocman D, McCue P, Fisher E, Parker S. Comprehensive geriatric assessment for frail older people in acute hospitals: the HoW-CGA mixed-methods study. Southampton (UK): NIHR Journals Library; 2019 Apr. PMID: 30986009
  2. Ellis G, Gardner M, Tsiachristas A, Langhorne P, Burke O, Harwood RH, Conroy SP, Kircher T, Somme D, Saltvedt I, Wald H, O’Neill D, Robinson D, Shepperd S. Comprehensive geriatric assessment for older adults admitted to hospital. Cochrane Database Syst Rev. 2017 Sep 12;9(9):CD006211. doi: 10.1002/14651858.CD006211.pub3. PMID: 28898390; PMCID: PMC6484374.
  3. Tinetti M, Huang A, Molnar F. The Geriatrics 5M’s: A New Way of Communicating What We Do. J Am Geriatr Soc. 2017 Sep;65(9):2115. doi: 10.1111/jgs.14979. Epub 2017 Jun 6. PMID: 28586122
  4. Conroy SP, Ansari K, Williams M, Laithwaite E, Teasdale B, Dawson J, Mason S, Banerjee J. A controlled evaluation of comprehensive geriatric assessment in the emergency department: the ‘Emergency Frailty Unit’. Age Ageing. 2014 Jan;43(1):109-14. doi: 10.1093/ageing/aft087. Epub 2013 Jul 23. PMID: 23880143; PMCID: PMC3861335.
  5. Preston L, van Oppen JD, Conroy SP, Ablard S, Buckley Woods H, Mason SM. Improving outcomes for older people in the emergency department: a review of reviews. Emerg Med J. 2020 Oct 26:emermed-2020-209514. doi: 10.1136/emermed-2020-209514. Epub ahead of print. PMID: 33106287.
  6. Jay S, Whittaker P, Mcintosh J, Hadden N. Can consultant geriatrician led comprehensive geriatric assessment in the emergency department reduce hospital admission rates? A systematic review. Age Ageing. 2017 May 1;46(3):366-372. doi: 10.1093/ageing/afw231. PMID: 27940568.

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